Die zweite Veranstaltung der diesjährigen „Get Transformation Done“-Reihe durften wir dankenswerterweise bei Doppelmayr in Wolfurt abhalten. Bei diesem Event drehte sich alles um das Thema Organisation und Struktur. Die Welt ist im Wandel, dementsprechend müssen auch Organisationen neu denken und neue Formen der Zusammenarbeit finden. Andrea Reinelt von der Spitex Zürich Limmat berichtete dabei, wie ihre Pflegeeinrichtung die Reorganisation in selbstorganisierte Teams bewerkstelligt hat. Christian Studler, Professor an der Hochschule der Künste in Bern, veranschaulichte die Herausforderungen menschlicher Zusammenarbeit bei Symphonieorchestern. Zudem erhielten wir kurze Einblicke in spannende Organisationsformen von Gebrüder Weiss, Blum, Doppelmayr sowie Poesis.
Speaker: Andrea Reinelt (Leitung Human Resources und Mitglied der Geschäftsführung der Spitex Zürich Limmat)
Selbstorganisierte Teams der Spitex Zürich Limmat
In einer sich immer komplexer gestaltenden Welt mit steigenden Anforderungen braucht es passende Organisationsformen, die mit diesen Herausforderungen umgehen können. In hierarchischen Strukturen liegt die Entscheidungsmacht vermehrt bei Einzelpersonen. Ein Chef an der Spitze kann diese Komplexität aber oftmals nicht mehr allein bewältigen. Es braucht also neue Strukturen. Doch welche alternativen Organisationsformen können mit diesen neuen Herausforderungen umgehen?
Andrea Reinelt von der Spitex Zürich Limmat berichtet, wie ihre Pflegeeinrichtung die Restrukturierung auf eine alternative Organisationsform gemeistert hat. Aufgrund vielfältiger Herausforderungen, wie dem Verlust von Marktanteilen, Personalengpässen sowie dem Kundenwunsch nach mehr Kontinuität und immer breiteren Dienstleistungen, wollte sich die Spitex Zürich Limmat neu aufstellen. Weg von hierarchischen Strukturen, hin zu selbstorganisierten Teams. In Anlehnung an das Buurtzorg-Modell (holländisch für Nachbarschaftshilfe), sollten sich Teams – bestehend aus maximal 12 Pflegekräften – eigenständig um die Pflege ihrer Patienten kümmern. Die Mitarbeiter stimmen sich dabei selbständig über ihre Dienst- und Einsatzpläne ab, rekrutieren ihre KollegInnen eigenständig und sind selbst für die erforderliche Pflegeauslastung verantwortlich. Ist Unterstützung erforderlich, können jederzeit Coaches beigezogen werden. Die Geschäftsleitung hat einen Dienstleistungs-Charakter und keine klassische Führungsfunktion inne. Entscheidungen der Teams werden dabei nach dem Konsens-Prinzip getroffen. Alle Mitglieder müssen mit dem Beschluss einverstanden sein, ansonsten wird das Support-Team zu Rate gezogen. Die drei Ziele dieser neuen Organisationsform waren es, gute Leistungen für ihre Kunden zu ermöglichen, attraktive Arbeit für die Pflegekräfte zu bieten sowie das Unternehmen finanziell gesund aufzustellen. Wurden diese Ziele durch die Umstellung erreicht?
Wie erwartet, waren die ersten beiden Jahre der Restrukturierung von Hindernissen aber auch Erfolgserlebnissen begleitet. Für viele Mitarbeiter war es eine große Umstellung plötzlich mehr Verantwortung zu tragen – manche haben in der Folge das Unternehmen auch verlassen. Für viele andere Pfleger hat der Beruf so aber auch enorm an Attraktivität gewonnen. Man hat sich nun wesentlich leichter getan, neue Pflegekräfte – insbesondere jüngere – zu rekrutieren. Auch mit der in diesem Modell unabdingbaren Feedback-Kultur tun sich viele Mitarbeiter schwer. Insbesondere Kritik geben zu müssen, hat sich als Herausforderung herausgestellt. Auch finanziell mussten die ersten zwei Jahre nach der Umstellung Verluste eingefahren werden. Doch im letzten Jahr konnte die Spitex endlich ein positives Ergebnis erzielen. Auch zu den Patienten durften engere Beziehungen geknüpft werden. Während der Reorganisation konnten Andrea Reinelt und ihr Team viel lernen. Eines dieser Learnings war, dass man viel früher und konsequenter an dem für die Selbstorganisation notwendigen Mindset arbeiten muss. Selbstorganisation ist mit vielen Freiheiten, aber auch Verantwortung verbunden. Das sollte den Mitarbeitern frühzeitig erlebbar gemacht werden. Insbesondere in der Anfangsphase müssen Teams eng bei der Umstellung begleitet werden. Schlussendlich ist viel Vertrauen notwendig – Vertrauen den Mitarbeitern gegenüber, dass sie die Fähigkeit besitzen zu lernen und die richtigen Entscheidungen treffen.


Speaker 2: Christian Studler (Professor für Musik an der Hochschule der Künste Bern HKB, Soloflötist Berner Symphonieorchester)
Das Orchester als Lernfeld
Abseits wirtschaftlicher Betriebe gibt es eine Vielzahl an Organisationen mit unterschiedlichsten Strukturen. Einen Einblick in eine solche Organisation gewährt uns Christian Studler, Professor an der Hochschule der Künste Bern. Als ehemaliger Soloflötist in Orchestern in St. Gallen, Bern und Luzern kennt er sich bestens mit den organisatorischen Herausforderungen eines Symphonieorchesters aus. Insbesondere die vielschichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Orchester mit Menschen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen faszinieren Prof. Studler. Doch wie organisiert sich nun ein solches Orchester und welche Konfliktpotentiale entstehen daraus?
Ein großes Symphonieorchester besteht typischerweise aus mehr als 100 Musikern mit unterschiedlichsten Instrumenten. In der ersten Reihe sitzt der Konzertmeister – Stimmführer der Gruppe der ersten Violinen. Dieser ist typischerweise die wichtigste und bestbezahlte Person im Orchester und dient als Bindeglied zum Dirigenten. Eine klare Rangordnung gibt es auch zwischen den Instrumenten. Bläser haben beispielsweise eine höhere Stellung und sind besser bezahlt als Streicher, obwohl sie weniger Seiten spielen. Das hat damit zu tun, dass jeder Bläser seine eigene Stimme hat und deshalb nicht austauschbar ist. In einem typischen Symphonieorchester gibt es Musiker aus mehr als 20 verschiedenen Nationen. Das führt oft zu Sprachbarrieren und Spannungsfeldern der Kulturen. Die größte Herausforderung besteht darin, dass jeder Musiker eine Stimme innehält und Entscheidungen basisdemokratisch gefällt werden. Eine wichtige Rolle hat auch der Orchestervertreter, der die Gruppe gegenüber dem Dirigenten vertritt. Der Dirigent ist wie der CEO des Orchesters. Er hat eine enorme Machtposition und muss das große Ganze im Auge behalten. Es gibt sehr unterschiedliche Typen von Dirigenten. Manche lassen den Musikern gewisse Freiheiten, andere wollen am liebsten das Instrument übernehmen und selbst spielen. Oftmals entstehen dadurch Konflikte zwischen dem Dirigenten und den Orchestermitgliedern. Das musikalische Schaffen in einem Orchester kann knallhart sein. Als Musiker ist man fehlerorientiert und kämpft ein Leben lang mit den eigenen Schwächen. Die Druckbelastung ist enorm und führt oftmals dazu, dass Künstler von einem Tag auf den anderen ihr Instrument nicht mehr spielen können. Christian Studler möchte deshalb Musiker so ausbilden, dass sie wissen, was ihre Stärken sind und wissen was sie beitragen können. Das steigert dann auch die Freude am Spiel und schlussendlich wird die Leistung besser. Diese spannenden Einblicke regen die Unternehmen nun zur Reflexion an, wie man es in modernen Organisationen schafft, die Mitarbeiter von Drucksituationen zu entlasten und Freude bei der Arbeit zu ermöglichen.
Unternehmensblitzlichter

Neben den bereits gehörten Organisationsformen gibt es eine Vielzahl an weiteren Formen der Zusammenarbeit. Einige unserer Teilnehmer gewähren uns deshalb kurze Einblicke in von ihnen angewandten Strukturen und Methoden. Den Anfang macht Martin Fischer von Poesis Consulting, der die Kreisorganisation vorstellt. Durch die Menge an abzudeckenden Themen im Vergleich zur Größe der Organisation, hat das Unternehmen deshalb nach einer Organisationsform gesucht, die Flexibilität und Dynamik mit sich bringt. Poesis organisiert sich deshalb seit gut zwei Jahren in Kreisen. Ein Kreis deckt ein klares Aufgabenfeld wie Marketing, IT oder HR ab und wird von einem Kreis-Verantwortlichen geleitet und von weiteren Mitgliedern unterstützt. Mitarbeiter arbeiten im Normalfall in mehreren Kreisen mit. Diese Form der Zusammenarbeit erlaubt es, sehr viele Themen durch wenige Mitarbeiter abzudecken. Zudem fördert es Entwicklungsmöglichkeiten von Mitarbeitern, indem Stärken und Interessen unterschiedlichster Art abgedeckt werden.
Noch in den Kinderschuhen befindet sich die agile Form der Zusammenarbeit in der IT bei Gebrüder Weiss, wie Andreas Pichler berichtet. Ganz im Sinne von Simon Sinek, hat sich Gebrüder Weiss zuerst die Frage gestellt, „warum“ sie sich überhaupt mit Agilität beschäftigen wollen. In der IT kämpft man damit, dass es eine Vielzahl an Themen gibt und man dadurch notorisch überlastet ist. Oftmals ändern sich Anforderungen und Prioritäten von Aufgaben. Jeder Fachbereich denkt, dass sein Thema das Wichtigste ist. Die tatsächliche Priorität ist den wenigsten Mitarbeitern klar. Diese fehlende Transparenz sorgt auch dafür, dass man Auftraggebern gegenüber oftmals nicht auskunftsfähig ist und Termine nicht eingehalten werden. Durch agile Zusammenarbeit erhofft sich Gebrüder Weiss, frühe und laufende Kundenzufriedenheit zu schaffen. Änderungen können als etwas Gutes gesehen werden, sofern sie dem Kunden einen Vorteil verschaffen. Zudem soll eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligter von Beginn an ermöglicht werden. Sie übernehmen gemeinsam Verantwortung für ein Thema und sind deshalb auch gute Ansprechpartner für die Kunden. Zudem soll früher funktionsfähiger Output ermöglicht werden.
Eine neue Form der Zusammenarbeit hat sich in der Personalabteilung bei Blum ergeben. Michael Grabher schildert, dass wichtige Entscheidungen oftmals am Tisch des Personalleiters landen und das oftmals zu Engpässen geführt hat. Blum hat sich deshalb entschieden, die Leitung der HR-Abteilung auf fünf Personen zu verteilen. Alle Personalchefs sind gleichberechtigt und teilen die Aufgaben in regelmäßigen Meetings untereinander auf. Dieses Shared Leadership hat dazu geführt, dass Engpässe minimiert werden konnten. Weiters präsentiert Daniel Thurmberger vom Inhouse Consulting, wie agiles Projektmanagement bei Blum funktioniert. STAGILE – eine Wortkreation aus Stage Gate und agil – ist ein Konzept, welches die besten Elemente traditioneller Prozessmodelle mit modernen agilen Konzepten kombiniert. Durch die Verschmelzung verschiedenster Methoden sollen Effizienz und Innovationskraft zugleich ermöglicht werden. Blum hat diese Methode bereits bei der Einführung der Dispositions- und Produktionsplanung erfolgreich angewandt.
Zu guter Letzt berichtet Andreas Huber von Doppelmayr, welche Herausforderungen agile Softwareentwicklung bei einem Anlagenbauer mit sich bringt. Als Personentransport-Unternehmen sorgt Doppelmayr beim Bau von Anlagen für die höchsten Sicherheitsstandards. Bevor ein Produkt ausgeliefert wird, muss es viele verschiedene Sicherheits-Tests bestehen. Zudem sind Termine im Seilbahngeschäft „heilig“. Steht das Produkt nicht rechtzeitig für die Saison bereit, kann das gesamte Wintergeschäft darunter leiden. Ein völlig gegensätzlicher Ansatz bietet agile Softwareentwicklung. Dort ist es nicht unüblich, dass halbfertige Software ausgeliefert und erst nach und nach verbessert wird. Zudem haben Termine in der agilen Entwicklung von Software einen weniger hohen Stellenwert. Daraus können Konflikte entstehen und müssen deshalb bei der Zusammenarbeit berücksichtigt werden.
Ausblick auf unser Special: Self Care – mit Druck umgehen und Ausgleich finden
In der kommenden Veranstaltung am 01. Juli 2022 erwartet uns ein spannendes Special zum Thema Self Care. Dort lernen wir bei einem geführten Spaziergang am Nenzinger Himmel, wie man mit Drucksituationen des modernen Berufslebens umgehen kann und Ausgleich findet. Der ehemalige Tennisprofi Martin Fischer berichtet von seinen Erfahrungen mit Drucksituationen im Profisport. Zudem erhalten wir vom Pädagogen und Psychotherapeuten Bertram Strolz wertvolle Tipps für den Umgang mit Belastungssituationen und wie man es schafft, Ausgleich vom stressigen Berufsalltag zu finden. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
Anmeldung.
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Weitere Informationen.
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